Bearbeitungstempo und Kostendruck erhöhen die Belastung von Projektverantwortlichen. «Scrum» als Unterform des sog. «agilen» Projektmanagements ist ein Lösungsansatz und hat der IT-Branche zu einer schnellen, flexiblen Bearbeitung von Projektaufgaben verholfen. Die erste Frage, die Sie sich jetzt stellen werden, ist sicherlich: «Kann ein IT-Projekt mit einem Bauprojekt verglichen werden?» Die Antwort lautet: Die Anforderungen und die Probleme in der Projektbearbeitung sind dieselben.
Agile» – auf Deutsch beweglich, wendig, flexibel – bezeichnet eine aus der Informatik stammende Form des Projektmanagements, die zunehmend auch in anderen Branchen Anwendung findet. Foto: iStock/joreks
Dem höheren Termin- und Kostendruck begegnen
Das klassische Projektmanagement hat sich der in den letzten Jahren erschwerten Ablauf- und Kostensituation nicht angepasst. Das Festhalten an etablierten Teamstrukturen und den darin verankerten Abläufen verlängert die Reaktionszeiten. Die zentrale Herausforderung ist neben den Kosten der hohe Termindruck. Oft beeinträchtigt dieser den Blick auf das Wesentliche: auf Überwachung und Analyse des Projektfortschritts.
Heute werden Projekte häufig nach dem «Wasserfallmodell» aus dem Jahr 1950 bearbeitet, das heisst, das Vorgehen ist linear: Initiierung – Planung – Ausführung – Abschluss. Jede Phase hat einen vordefinierten Start- und Endpunkt. Dieser Ablauf ergibt Sinn, wenn Anforderungen, Leistungen und Abläufe präzise beschrieben werden können. Doch fallen Projekte zwischen den Phasen Planung und Ausführung nicht immer wieder zurück? Das ist unerwünscht, denn damit verzögert und verteuert sich ein Projekt.
Agil statt schwerfällig
Beim agilen Projektmanagement ist die Leistung variabel, dafür sind der Termin und der Aufwand fest definiert. Dies ermöglicht schnelles Handeln bei sich verändernden Prozessen oder Kundenwünschen. Agiles Projektmanagement wird nicht als Modell verstanden, das ein konkretes Vorgehen beschreibt. Vielmehr bildet es einen Rahmen für agile Prozesse. Um den Anwendern grösstmögliche Freiheit in der Umsetzung einzuräumen, werden keine konkreten Techniken vorgegeben, sondern Rollen und Abläufe.
Agiles Projektmanagement wie Scrum kennt drei zentrale Rollen:
· Der Produktverantwortliche ist Fachexperte und verantwortlich für die Umsetzung der Anforderungen und Kundenwünsche.
· Der Srcum-Master ist zuständig für die Einhaltung der Prozesse.
· Das Team ist die dritte Rolle. Die klassische Verteilung wird aufgebrochen, der Projektleiter wird zum Teammitglied und übernimmt die Rolle eines Moderators.
Der Ablauf in der Projektplanung wird nur auf den gerade wichtigsten nächsten Schritt, den sog. «Sprint», reduziert. Der Fokus liegt dabei auf drei Punkten:
· Transparenz: Für alle Teammitglieder ist jederzeit ersichtlich, welche Sprints erledigt wurden und welche als nächste anstehen.
· Überprüfung: Der aktuelle Projekt- stand und das weitere Vorgehen werden regelmässig überprüft.
· Anpassung: Korrekturen sind kontinuierlich möglich. Zusätzliche Kunden- wünsche können jederzeit eingeflochten werden.
Die lediglich grobe Vorstellung des Auftraggebers bildet den Auftrag für das Projekt.
Mit diesem Auslöser startet der Ablauf mit den nachstehenden Schritten:
Anforderungen in Story-Cards
Konkrete Anforderungen und einzelne Funktionalitäten werden in den Worten des Auftraggebers formuliert. Damit wird sichtbar, welche Ressourcen das Projekt braucht. Qualifikationen im Projektteam werden definiert und der grobe Zeitaufwand für die Umsetzung festgehalten.
Arbeitspakete im Produkt-Backlog
Die Anforderungen des Auftraggebers werden grob formuliert. Im Projektverlauf werden diese immer genauer definiert und angepasst. Daraus ergibt sich das Produkt-Backlog, eine geordnete Auflistung der Anforderungen an das Produkt.
Prioritäten
Im nächsten Schritt werden Prioritäten definiert: Welche Elemente und Funktionen sind am wichtigsten, um die Zufriedenheit des Auftraggebers zu gewähr- leisten?
Sprintplanung
In der ersten Besprechung zur Sprintplanung werden die Rahmenbedingungen abgesteckt. Wo und wann findet ein Teammeeting statt? Welches sind die Teilziele, welches die Meilensteine? In welche Teil- aufgaben (Sprints) lässt sich das Projekt gliedern? Welche Projektdetails und welche Schnittstellen sind einzuhalten? Die Antworten auf diese Fragen bilden die Spielregeln und die Struktur für das weitere Vorgehen.
Aufgaben im Sprint-Backlog
Jeder Sprint wir in einzelne Aufgaben, Tickets genannt, unterteilt. Alle Tickets sind im sog. Sprint-Backlog aufgeführt. Das ist der Aufgabenplan – er zeigt den Arbeitsvorrat für das Team für den nächsten Arbeitszyklus, den Sprint. Jedes Teammitglied übernimmt eigenverantwortlich einzelne Tickets.
Arbeitsprozess im Sprint
Im Sprint arbeiten die Teammitglieder an ihren Aufgaben, den Tickets.
Besprechung im Scrum
Während eines täglichen fünfzehnminütigen Treffens berichtet jeder der Reihe nach, was er seit der letzten Besprechung gemacht hat und was er bis zur nächsten tun wird. In diesen Treffen werden auch Themen angesprochen, welche die Mitglieder bei der Arbeit daran hindern, effizient voranzukommen. Der Scrum-Master muss die Hindernisse aufgreifen und helfen, sie zu beseitigen.
Fortschrittskontrolle im Sprint-Review-Meeting
Jeder Sprint wird durch ein sog. Sprint- Review-Meeting abgeschlossen: Das Team stellt seine Ergebnisse dem Auftraggeber vor. Diese werden akzeptiert, oder es werden Anpassungen besprochen. In gesonderten Treffen können die Teammitglieder ihre Zusammenarbeit über- prüfen und festhalten, was intern verbessert werden sollte. Die Erkenntnisse werden für zukünftige Projekte genutzt. So wird ein Lernprozess unterstützt.
Projektabschluss
Alle Sprints sind durchlaufen, das Projekt ist abgeschlossen.
Zur Visualisierung der zu bearbeitenden Teilaufgaben, der Tickets, dient das sog. Task-Board. Hier wird für alle Teammitglieder der Projektfortschritt aufgezeigt:
Aufgabe – begonnen – in Bearbeitung – zu prüfen – erledigt. Das Team steuert sich und den Projektfortschritt selbstständig.
Das Sprint-Backlog, der Aufgabenplan, hängt für alle sichtbar an der Wand. Mit dem Task-Board kann der Projektablauf gesteuert werden. Es werden nur so viele Tickets für die Bearbeitung freigegeben, wie vom Projektteam bearbeitet werden können. Engpässe werden sichtbar, und eilige Tickets können vorgezogen werden.
Für das Kosten- und Risikomanagement wird ein Burndown-Chart verwendet. Er zeigt, ob das Projekt im ursprünglich vereinbarten Zeit- und Kostenrahmen bleibt. Durch die täglichen Besprechungen werden Budgetverbrauch und Projektfortschritt sehr aktuell abgebildet. Mögliche Korrekturen können eingeleitet werden.
Mut zu Neuem zahlt sich aus
Aus Scheu vor Neuem wird agiles Projektmanagement oft als Risiko betrachtet. Doch Agilität, also Flexibilität und Beweglichkeit, verkürzt die Reaktionszeit, was grundsätzlich ein Vorteil ist. Risiken liegen eher im Bereich zu grosser Teams (wegen des zu grossen Abstimmungsaufwands), zu langer Sprints und parallel zu bearbeitender Projekte.
Agile Projektbearbeitung hat einen positiven Einfluss auf den Projektablauf. Durch die enge Einbindung des Auftraggebers intensiviert sich die Kundennähe. Der Austausch und die Kommunikation mit den anderen Beteiligten wie z.B. Architekten führen in der agilen Projektbearbeitung zu Vorteilen, da jeder über den aktuellen Projektstand informiert ist und weiss, welche Aufgaben noch zu erledigen sind, um die Etappenziele zu erreichen. Der effiziente Ablauf spiegelt sich auch in den Finanzen wieder, da zusätzlicher Zeitaufwand für Fehlerkorrekturen verhindert wird. Zudem werden Teilaufgaben nicht vergessen. Je nach Projektauswahl kann auch eine hybride Lösung aus klassischem und agilem Projektmanagement eine Chance sein.
Das Projektmanagement befindet sich im Wandel und sollte weiterentwickelt werden. Genau dieser Wandel macht die Arbeitswelt spannend und faszinierend. Durch die Digitalisierung, z.B. Building Information Modeling, wird sich die Projektbearbeitung im Bereich Elektrotechnik in Planung und Ausführung im Lauf der nächsten Jahre noch mehrmals trans- formieren. Die agile Bearbeitung soll eine Möglichkeit aufzeigen, die man sofort an- wenden und umsetzen kann.
Zum Autor
Andreas Steinmetz (Jahrgang 1980) ist Mitinhaber eines Büros für Elektroplanung. Im Rahmen seines EMBA-Studiengangs untersucht er Modelle für die effizientere Projektbearbeitung mit Schwerpunkt Ausführung und Planung in der Elektrotechnik. Neben- beruflich arbeitet er als Dozent für Projektleitung. Er lebt mit Frau und Tochter in Uster.
In der Praxis setzt Andreas Steinmetz- das agile und das klassische Projektmanagement kombiniert ein. Flache Hierarchie, Visualisierung am Task- Board, Aufgaben in Form von Ticketbearbeitung durch das Team, täglicher kurzer Austausch – all das wirkt sich positiv auf Personalführung, Termine und Projektfinanzen aus.
Themen Projektbearbeitung, Bauprojekte
Autor Andreas Steinmetz
Publikation Electro Revue 26, 2017
Datum Sommer 2017